Vor 2 Jahren stand ich zum ersten Mal im Eriz auf gemieteten Klassik-Langlaufskiern. Mein überehrgeiziges Ich wird jeweils sehr „hässig“ wenn ich etwas nicht nach wenigen Minuten kann, weshalb ich mein erstes „Probetraining“ eher mässig-schön in Erinnerung trage. Das Nicht-Erlernen war trotzdem keine Frage, da mich die Sportart Langlauf viel zu sehr faszinierte. Und überhaupt – jede erdenkliche Wintersportart möchte ich erlernen und ausüben.
Bereits nach einigen weiteren, wiederum eher mittelmässig-erfolgreichen, „Trainingseinheiten“ war der Entschluss gefasst, das Langlaufen im Skating-Schritt so zu erlernen, dass ich sobald als möglich am Engadin Skimarathon teilnehmen kann. Ja, grosse und eindrückliche Sportevents faszinieren mich wohl noch viel mehr als jeweils die Sportart selbst. Der Event: Je grösser, desto besser. Die Distanz: Je länger, desto besser. Die Herausforderung: Erneut je grösser, desto besser. Der Respekt vor dem Tag X: Ebenfalls je grösser, desto besser.
Natürlich bereitete ich mich auch entsprechend auf das Ereignis vor. Meinen ersten Lohn nach Abschluss meiner Ausbildung investierte ich in meine erste komplette Langlaufausrüstung. Es folgten regelmässig Langlauftrainings auf meiner „Heimloipe“ in Heimenschwand, in Kandersteg oder im Gantrischgebiet sowie Langlaufferien im wunderschönen Langlaufparadies Goms. Auch liess ich meine Technik zweimal durchchecken und konnte sie durch die wertvollen Tipps aus diesem Technik-Check (hoffentlich) verbesseren. Zusätzlich lief ich so einige Kilometer in meinen Lauftrainings – wie zuvor auch. Meine Freude an der Sportart wuchs von Mal zu Mal – bis ins Unermessliche.
So rückte dieser Tag X immer näher und schlussendlich war Freitag der 8. März 2019 und ich fuhr direkt nach der Arbeit mit dem Zug nach Zuoz im Oberengadin, wo ich freundlicherweise die Wohnung von einer meiner besten Freundinnen bewohnen durfte. Nach 4,5 Stunden Zugfahrt und längerem Aufsuchen der Wohnung im Dunkeln, fielen wir bereits erschöpft und müde ins Bett. Das Abenteuer „51. Engadin Marathon“ konnte beginnen.
Am Samstagmorgen stand das Abholen der Startnummer in St. Moritz auf dem Programm. Als Dario Cologna-Bewunderin war mit unserem gemeinsamen Foto das Highlight dieses Marathon-Wochenendes schon so ziemlich erreicht. Von diesem Moment kann ich noch lange, lange leben. 😉
Am Sonntagmorgen, dem Wettkampftag, klingelte der Wecker um 04:40 Uhr. Ich nahm als Frühstück meinen altbewährten Porridge (alias Haferbrei) zu mir, wir packten unser Gepäck und machten uns auf den Weg.
In Maloja angekomme, hielten wir uns die Zeit vor dem Start hauptsächlich im beheizten Zelt auf, da ich trotz „warmen“ Temperaturen für Engadiner-Winter-Verhältnisse beinahe erfror. Apropos: Meinen ersten Sturz erlebte ich nicht etwa am Langlaufrennen selbst, nein, dies geschah auf dem Weg zum Start auf einer vereisten Strasse samt Skiern auf den Buckel. Tant pis.
Um 08:47 Uhr war es dann so weit – der erste „Käfig“ des Hauptblocks A wurde geöffnet und all die nervösen Läufer eilten mit den Skiern in der Hand (zieht jemand seine Skier bereits im Käfig an, so wird er disqualifiziert) hinter die Startlinie. An diesem Punkt darf man die Langlaufskier anziehen und sich fertig vorbereiten für den definitiven Start. Es standen extra Helfer bereit, die einem zu Hilfe eilten und den Schnee von den Schuhen oder aus der Skibindung kratzten. Service!
Während meines Rennens stürzte ich ein einziges Mal. Etwa 200 Meter nach dem Start. Erneut: Tant pis. Der Grund: Über den eigenen Skistock gestolpert. Und ja, ich war nervös.
Danach verlief mein erstes Rennen ziemlich gut. Ich war auf den ersten 21 Kilometern definitiv schneller als erwartet und erlitt erst einen kleinen Einbruch, als nach dem Halbmarathon die Strecke die Richtung etwas änderte und mir der Gegenwind zu schaffen machte. Zu diesem Zeitpunkt wurde uns in Pontresina auch die Möglichkeit geboten, auszusteigen und im Halbmarathon klassiert zu werden. Erneut: Service. Welch süsse Verlockung für die erschöpfte Ilona.
Mein Körper hätte diese Chance gerne gepackt, doch mein Kopf liess dies natürlich nicht zu. Der Schnee wurde auf dem zweiten Halbmarathon zwar etwas weicher, doch der Rückenwind unterstütze uns bald wieder. Von den weiteren Kilometer gibt es nicht viel mehr zu erzählen als dass ich gegen Schwindel kämpfte und mir wieder einmal viele, viele Verpflegungsstellen vorbeiwünschte. Und, dass ich es genoss. Ich genoss die verschneite Landschaft, die lustigen (harmlosen) Stürze der anderen Langläufer, die begeisterten Zuschauer, den unterstützenden Rückenwind, die ehrgeizigen Sportler, die mich im Schatten stehen liessen, und, und, und – doch trotzdem genoss ich jede erscheinende Kilometertafel immer mehr.
Im Ziel mit einer Zeit von 3 Stunden und 13 Minuten angekommen, war ich kurz die wohl erschöpfteste und glücklichste Person weltweit. Uns als ich später meine Füsse hochlagern konnte, waren auch all die Blasen an meinen Füssen nicht mehr halb so tragisch.
Engadin Skimarathon, ich komme wieder!
Mein Video: 51. Engadin Skimarathon Ilona